From My Journal

Sklaverei war rechtens - und Völkermord?

Rückständig wie Russland

Ein englisches Gericht befand im Jahr 1772, es sei illegal, einen in Virginia gekauften Sklaven gegen dessen Willen aus England zu exportieren. Zwar hielt der Richter fest, es gehe in dem Fall Somerset v. Stewart nicht um die Legalität der Sklaverei insgesamt, doch war das Urteil ein Präzedenzfall für den Status von Schwarzen im Vereinigten Königreich, der mit jenem eines Sklaven unverträglich war. Es bedeutete, dass in England das säkulare Konzept Habeas Corpus auch für einen Menschen im Besitz eines anderen Menschen galt. Damit hatte ein solcher Rechte, unter anderem jenes, ein Gericht anzurufen. Dergleichen war in den amerikanischen Kolonien undenkbar. Erst 1833 verbot London die Sklaverei in der Karibik. xxx Dadurch verwandelte sich die ehemalige Sklavenhandels-Nation in eine Hochsee-Polizei, die den transatlantischen Sklavenhandel zu unterbinden versuchte.

Natürlich bekamen die Sklavenhalter in den amerikanischen Kolonien mit, was in London passierte. Vier Jahre nach dem Urteil erklärten sich die Kolonien unabhängig. Die Verfassung der nachmaligen United States of America erwähnt die Sklaverei nicht, womit diese nicht illegal war. Viele sogenannte Gründerväter waren Sklavenhalter aus Virginia. Die hehre Rhetorik, wonach all men are created equal, bezog sich nicht auf alle Menschen, sondern ausschliesslich auf weisse Männer (mit Besitz).

Vom hohen Ross eines Nachgeborenen ist es leicht, die damals Handelnden zu verurteilen. Ist man nachsichtig, kann man einigen von ihnen zugute halten, sie hätten angenommen, die Sklaverei laufe sich von selbst zutode. Das Gegenteil geschah. Die Zahl der Sklaven nahm zu, die Macht der Sklavenhalter ebenso. Die Sklavenhalter der Südstaaten erhoben die Sklaverei zum Kulturgut, zu verehren als our peculiar institution. Es ist unbestreitbar, dass die Kolonien im Süden zu viel Macht hatten, als dass die Verfassung von 1786 die Sklaverei hätte verbieten können.

Es war auch nicht so, dass die Gegner der Sklaverei in den Kolonien zahlreich gewesen wären. Fast ein Jahrhundert später, 1861, zu Beginn des Sezessions- oder Bürgerkrieges, wäre es für Präsident Lincoln politisch unmöglich gewesen, im Norden Soldaten zu rekrutieren, um die Sklaverei abzuschaffen. Das offizielle Kriegsziel war die Wiederherstellung der Vereinigten Staaten, nicht die Befreiung der Schwarzen. Die meisten Nordstaatler waren genauso rassistisch wie die Südstaatler. Der Unterschied bestand darin, dass sich im Norden kaum jemand um das Schicksal der Schwarzen scherte, während im Süden die Existenz des sozialen und ökonomischen Gefüges von der Versklavung der Schwarzen abhing.

Erst nach zwei Jahren Kriegs wurde klar, dass die militärische Potenz des Südens auf der Sklaverei beruhte. Damit konnte Lincoln deren Abschaffung als militärische Notwendigkeit darstellen. Es ging somit nicht um Rücksicht auf das Wohl der Schwarzen oder gar Mitleid mit ihnen, sondern rein darum, den Süden militärisch zu schwächen. Anfang 1863, nach hinreichend vielen militärischen Schlappen und einigen erfolgversprechenden Schlachten - Antietam -, die dem Norden einen Sieg verhiessen, deklarierte Lincoln die Befreiung von Sklaven - in den kriegführenden Südstaaten, nicht überall.

Weil Weisse des Nordens meist nicht für Schwarze im Süden in den Krieg ziehen wollten, kam es in New York im Juli 1863 zu grässlichen Massakern. Es bedurfte der Intervention von Soldaten - direkt vom Schlachtfeld in Gettysburg abkommandiert - um dem Mob Einhalt zu gebieten. Auch nach Kriegsende waren Schwarze im Norden keineswegs sicher. Rassismus blieb prägend für die ganzen USA, Verfassung und Gesetze hin oder her.

Etliche der sogenannten Gründerväter kannten Europa und dessen Geschichte bestens. Sie wollten um jeden Preis, wirklich um jeden Preis, verhindern, dass das englische Kolonialreich in Amerika sich aufteilt. Der Preis war die Sklaverei, das mörderische Schicksal der Schwarzen. Das ist die original sin bei der Geburtr der Unites States of America. Das Attribut "United" im Namen United States war Programm. Es ging darum, die Entstehung zweier unabhängiger Staaten - mit Sklaverei im Süden, ohne Sklaverei im Norden -, zu vermeiden. Andernfall hätten die Amerikaner den europäischen Grossmächten Tür und Tor geöffnet für Allianzen, Manipulation und Machtspiele aller Art. Für die Sklavenhalter des Südens war die Unabhängigkeit ein Gewinn: In Grossbritannien war die Abschaffung der Sklaverei absehbar - siehe Somerset v. Stewart. In den Kolonien war derlei kaum zu befürchten.

Daher waren die Südstaaten zu gewissen Kompromissen bereit - etwa dazu, dass Sklaven nur zu zwei Dritteln gezählt wurden, um die Vertretung der Bevölkerung im Kongress zu bestimmen. Dazu schrieb man in die Verfassung sogar das Wort "persons", obwohl Schwarze in den Augen der Südstaatler rechtlose Dinge waren, nicht Personen. Für den Norden bestand der Vorteil dieser vordergründig skandalöse Lösung darin, dass dadurch die Vormacht des Südens weniger krass ausfiel, als wenn Sklaven wie alle anderen Personen angerechnet worden wären.

Warum wundert sich jemand, dass solch niederträchtige Geschichte heute, nur 160 Jahre später, weiterhin schwärt, krebst, zerrüttet, ätzt und zerfrisst?